Coordonat de Sabin DRĂGULIN
Volum V, Nr. 4(18), Serie nouă, septembrie – noiembrie 2017
Populismus in Deutschland, und die Auswirkungen
auf die Bundestagswahl 2017
(Populism in Germany)
Ursula OLLENDORF
Abstract: Starting from the voting for the Bundestag on September 24, 2017, during which the subject of right-wing populism was constantly being discussed up front, even in the mass media, due to the forever growing number of votes that the AfD are currently witnessing at this point in all the Länderparlamente, an accurate analysis cannot but come to the conclusion that deals with a radical populism, and, therefore, a danger to democracy. The article highlights a confrontation between left-wing and right-wing populism to show in the words of Carolin Emcke, peace prize winner of the German Book Trade, how such a populism leads to a decline in a society without ethics, and deprives society and humanity of the principal possibility and right to express themselves, that is, the language as cultural expression.
Keywords: Populism, Right-wing Populism, Left-wing Populism, Germany, AfD, Die Linke, Democracy, Voting in Germany, Peace Prize of the German Book Trade, Journalism, Instruction, Education.
Die Situation kurz nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 – eine Momentaufnahme
November 2017, in der Bundesrepublik Deutschland haben am 24. September Bundestagswahlen stattgefunden. Hier die Wahlergebnisse in einer Grafik:
Die daraus folgende Situation stellt sich noch im November wie folgt dar: die SPD hat praktisch sofort angekündigt, nur als Oppositionspartei an der Regierung teilzunehmen, denn „zur aktiven Verteidigung der repräsentativen Demokratie gehört der offen ausgetragene parlamentarische Meinungskampf um die Grundfragen der Politik. Große Koalitionen müssen schon deswegen Ausnahmen sein, weil unter ihnen große Parlamentsdebatten selten sind.“ So Heinrich August Winkler in „Die Zeit“ vom 19.02.2015.2
Die stimmenstärkste CDU sieht daher die Notwendigkeit, entweder ein Regierungsbündnis aus CDU / CSU / Grünen / FDP zu bilden, die sogenannte Jamaika-Koalition – denn die aus der ostdeutschen PDS entstandene Partei „die Linke“ gilt ihnen als Linkspopulisten, und daher als nicht koalitionsfähig – oder Neuwahlen einzuberufen.
Der Tatsache, dass die allgemein als rechtspopulistische eingestufte AfD (Alternative für Deutschland) im Vorfeld in alle Länderparlamente eingezogen war, und in Sachsen gar mehr Stimmen als die CDU auf sich verreinigen konnte, bindet das Thema „Populismus in Deutschland“ unweigerlich an diesen erst kurz vergangenen Bundestagswahlkampf, in dessen Verlauf die Orientierung der etablierten Volksparteien CDU/CSU und SPD an dieser AfD eine große Rolle spielte, trotz der Einschätzung von Dr. Robert Vehrkamp, eines Mitverfassers der Bertelsmann-Studie „Populismus in Deutschland“ „riet den etablierten Parteien, darauf zu verzichten, „im Wahlkampf populistischen Extrempositionen hinterherzulaufen. (…)Die Studie „Die Stunde der Populisten? Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017“ basiert auf einer Online-Panel-Umfrage unter wahlberechtigten Deutschen. Für die Studie interviewte infratest dimap in drei Befragungswellen zwischen Juli 2015 und März 2017 jeweils mehr als 1.600 Wahlberechtigte zu ihren politischen Einstellungen. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche wahlberechtigte Bevölkerung, die zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2013 wahlberechtigt war.“3
Doch ein Blick auf die Statistiken der Zugewinne und der Verluste der Parteien lässt den Rat eher als wenig angemessen erscheinen: Während traditionell die ersten Statements nach Wahlen nur Gewinner zeigen, herrscht nach dieser Bundestagswahl allgemeine Niedergeschlagenheit, aufgrund der großen Verluste, die besonders die beiden traditionellen Volksparteien CDU/CSU und SPD hinnehmen mussten, und der nur geringen Gewinne der „Grünen“ und der „Linken“.
Die liberale FDP, das traditionelle „Zünglein an der Waage“ im Nachkriegsdeutschland zieht zwar wieder in den Bundestag ein – die Partei war bei den Wahlen 2013 an der 5%-Marke gescheitert – doch einzige große Gewinnerin ist die „Alternative für Deutschland“(AfD), diejenige Kraft, die nahezu monothematisch sich nicht nur gegen die Migrationpolitik der Bundesregierung aussprach, sondern die mit Forderungen, an den Grenzen, wenn notwendig zu Schusswaffen zu greifen, um die Grenzen vor Migranten zu „schützen“, besonders polarisierte.
Definition von Populismus
„Populismus ist einfach, Demokratie ist komplex: Das ist am Ende vielleicht das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Formen des Bezugs auf das Volk“, so heißt es in einem Essay von Ralf Dahrendorf aus dem Jahr 2003. Gegen die Vereinfachung von Problemen ist nicht nur nichts zu sagen, sie ist vielmehr notwendig. Die Vereinfachungen der Populisten aber weisen ihre Urheber meist als schreckliche Vereinfacher und damit als Demagogen aus, so schreibt Heinrich August Winkler in „Die Zeit“ vom 19.Februar 2015, dagegen:
„Populismus ist also zunächst weder „links“ noch „rechts“. Er begreift gesellschaftliche Auseinandersetzungen als Konflikte zwischen dem „einen“ Volk und den
„korrupten“ politischen Eliten. Radikale Populisten erkennt man daran, dass sie die Entmachtung der herrschenden Politik fordern, um den Einfluss des Volkswillens zu stärken. Dazu fordern sie radikale Reformen des politischen Systems, und behaupten, dass sie alleine den wahren Bürgerwillen repräsentieren. In seiner moderaten Variante setzt sich Populismus kritisch mit den etablierten demokratischen Institutionen auseinander, und wünscht sich mehr direkte Beteiligung der Bürger und eine bessere Berücksichtigung ihrer Interessen bei politischen Entscheidungen.
Radikaler Populismus stellt die etablierten Institutionen der liberalen Demokratie in Frage und kann zu einer Gefährdung der Demokratie werden. Moderater Populismus ist ein ständiger Begleiter der Demokratie, kann ihre Responsivität erhöhen und ihr Funktionieren verbessern.“5
Warum entsteht Populismus?
Heinz Bude in „Gesellschaft der Angst”: „Ein wichtiger Erfahrungsbegriff der heutigen Gesellschaft ist der Begriff der Angst. Angst ist hier ein Begriff für das, was die Leute empfinden, was ihnen wichtig ist, worauf sie hoffen und woran sie verzweifeln. In Begriffen der Angst wird deutlich,wohin die Gesellschaft sich entwickelt, woran Konflickte sich entzünden, wann sich bestimmte Gruppen innerlich verabschieden und wie sich mit einem Mal Endzeitstimmungen oder Verbitterungsgefühle ausbreiten. (…) Die Soziologie, die ihre Gesellschaft verstehen will, muss heute die Gesellschaft der Angst in den Blick nehmen.“6
Nun, das große Angstthema unserer Zeit ist unbestreitbar die Migration und die damit notwendig verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen nicht nur in Deutschland, sondern in der Welt: Der lange von den westlichen Gesellschaften ignorierte Krieg in Syrien, die notwendige Neuordnung der Welt durch den Fall der Mauer, sowie ein Wandel des Kapitalismus in eine gnadenlose Konsumgesellschaft, in der der Kampf jeder gegen jeden die Oberhand gewonnen hat, und oft Gesetz und Recht geschickt umgeht, hier seien die aktuell erschienenen „Paradise-Papers“ genannt, die Möglichkeiten der Steuerumgehung für Superreiche aufdecken, im Bereich des Umweltschutzes ist mit Sicherheit das „Spiel“ mit Zahlen des Volkswagenkonzerns zu nennen, und nicht zuletzt die sich häufenden, von islamischen Fanatikern verübten Terroranschläge, sind Elemente, die, besonders von Rechtspopulisten geschickt in Szene gesetzt, „das Volk“ beunruhigen und sich um die eigene soziale Position sorgen lassen.
Linkspopulismus
Trotz der Kenntnis, dass das Phänomen des Populismus zwei maßgebliche Erscheinungsformen hat, soll sich der folgende Artikel in erster Linie mit dem Phänomen des Rechtspopulismus beschäftigen, während dem Linkspopulismus, dem die Partei „Die Linke“ sicher zuzuordnen ist, doch, trotz seiner Entstehungsgeschichte in der DDR, durchaus zugestanden werden muss, sich in den langen Jahren der Großen Koalition und der Merkel- Regierungen einen wichtigen Beitrag als Oppositionskraft erarbeitet zu haben.
„Gewiss: Es gibt immer noch Trennendes zwischen linken und rechten Populisten. Fremdenfeindlichkeit und Kult der eigenen Nation sind Merkmale der Rechten, das Bekenntnis zur internationalen Solidarität ist ein Kennzeichen der Linken. Wer sich auf das Gleichheitspostulat der Französischen Revolution von 1789 beruft, steht links, wer die Ungleichheit unter den Menschen für naturgegeben und notwendig hält, rechts.7
Kurzer Abriss über die als linkspopulistisch eingestufte Partei „Die Linke“
„Doch kann „die Linke“ als linkspopulistische Partei abgetan werden? Sollte sie nicht anhand ihrer Beiträge in den Paralmentsdebatten in 4 Jahren Oppositionsarbeit bewertet werden? Für die Wähler der Linken zählt vor allem mehr soziale Gerechtigkeit durch mehr Umverteilung. Keine andere Wählerschaft einer deutschen Partei orientiert ihre Wahlentscheidung so stark an diesem Thema. Die Zustimmungswerte eines Kandidaten steigen bei Wählern der Linken um fast 33 Prozentpunkte, wenn er sich für „sehr viel“ höhere Steuern für Reiche ausspricht anstatt für „sehr viel niedrigere“.
„Auch die Stärkung sozialer Gerechtigkeit ist Wählern der Linken noch einmal deutlich wichtiger als Wählern der SPD – mit einem Plus von 21 Prozentpunkten im Vergleich zu einem Kandidaten, der auf Wirtschaftswachstum setzt.“8 Auffallend ist bei den Wählern der Linken ihr stark ausgeprägtes Zustimmungsprofil bei tendenziell allgemein-populistischen Themen wie bspw. der Forderung nach mehr direkter Demokratie oder der Forderung, „Deutschland aus der Krise“ zu führen. Diese populistischen Schwerpunkte führen zusammen mit „soziale Gerechtigkeit stärken“ das Ranking der Prioritäten an.“9 Hinsichtlich einer Politik des geeinten Europas vertritt die Linke, ganz im Sinne einer gerechteren Umverteilung einen Schuldenschnitt für zum Beispiel Griechenland sowie die Forderung nach höherem Respekt für die Kultur und die Souveränität des Landes.
Der Rechtspopulismus, die Alternative für Deutschland (AfD) – ein Abriss ihrer Geschichte
Der Hamburger Professor für Volkswirtschaftslehre Bernd Lucke initiierte im Herbst 2010 das „Plenum der Ökonomen”, in dem sich Wirtschaftswissenschaftler aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Erwägungen auf einer sachlich-unpolitischen Grundlage gegen die Euro-Rettungspolitik aussprachen. Spätestens die Zustimmung des Bundestags zum europäischen Beschluss, die in der Krise geschaffenen Euro-Rettungsschirme zu verstetigen und den Europäischen Stabilitätsmechanismus als dauerhafte Maßnahme einzurichten, bestärkte Lucke und seine Mitstreiter in der Annahme, dass der politische Einfluss der Ökonomen zu gering war, um die Politik beeinflussen zu können.
- Die Phase der Wahlerfolge wurde nach den Landtagswahlen 2014 jedoch sehr abrupt durch eine Phase schwerer innerparteilicher Konflikte und Führungsstreitigkeiten abgelöst, die letztlich zur Spaltung der Partei führten.
- Die Wahlerfolge der ostdeutschen Landesverbände führten jedoch dazu, dass deren Landesvorsitzende immer weniger bereit waren, Luckes dominante Führungsposition zu akzeptieren. Insbesondere zwischen der sächsischen Landesvorsitzenden Frauke Petry, die auf dem Berliner Gründungsparteitag neben Lucke und Adam zu einer von drei Parteisprechern gewählt worden war, und Lucke kam es zu einer wachsenden Rivalität um die Führung und die Ausrichtung der Partei.
- Doch die folgenden Monate (ab Januar 2015; U.O.) zeigten, dass es nicht möglich war, zu einem Gleichgewicht zwischen dem liberal- und dem nationalkonservativen Flügel zu gelangen.
- Auf dem Essener Parteitag (4./5. Juli 2015) kandidierten sowohl Lucke als auch Petry um das Amt des „Ersten Sprechers” bzw. der „Ersten Sprecherin”. Schon vor der eigentlichen Wahl wurde jedoch deutlich, dass Lucke in der Partei keine Mehrheit mehr hinter sich hatte. Folgerichtig entschied seine Rivalin Petry mit rund 60 Prozent der Stimmen die Abstimmung für sich.
- Die politische Auseinandersetzung um die hohen Flüchtlingszahlen des Jahres 2015 und der ersten Monate 2016 bescherten der AfD erneut ein politisches Großthema, bei dem sie die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit der Politik aller Bundestagsparteien aufgreifen und zur eigenen Profilierung nutzen konnte.
- In dem Maße allerdings, wie die Flüchtlingszahlen zurückgingen und die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition restriktiver wurde, sanken die Umfragewerte und die Wahlergebnisse der AfD.
- Im Laufe der Auseinandersetzungen zeigte sich, dass die AfD in drei innerparteiliche Flügel gespalten ist: eine rechtspopulistische Richtung, für die vor allem der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke steht, der auch in den anderen ostdeutschen Landesverbänden über erheblichen Rückhalt verfügt; eine nationalkonservative Richtung, die vom brandenburgischen Landesvorsitzenden Alexander Gauland angeführt wird, sowie schließlich eine gemäßigt pragmatische Richtung, die letztlich darauf zielt, die Partei mittelfristig anschlussfähig für Koalitionen mit den Unionsparteien zu machen. Für diese letztere Richtung stehen die Bundessprecherin Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell, der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen.
- Als dann auch noch mit Alexander Gauland einer ihrer schärfsten innerparteilichen Kritiker zu einem von zwei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt wurde, zeigte sich, dass die Bundesvorsitzende, die inzwischen selbst in ihrem sächsischen Landesverband nicht mehr unumstritten ist, zwar im Amt blieb, aber ihre politische Macht weitgehend eingebüßt hatte. Offenbar richtet sich der für populistische Parteien typische anti-elitäre Impuls in der AfD immer wieder auch gegen die eigene Parteiführung.
- Die zweite in Köln gewählte Spitzenkandidatin, Alice Weidel aus Baden-Württemberg, steht allerdings eher für die wirtschaftsliberal-pragmatische Richtung innerhalb der Partei, so dass die personalpolitischen Entscheidungen von Köln nicht eindeutig als ein Rechtsruck der AfD interpretiert werden können.
- -Bei diesem schnellen Anstieg war es allerdings kaum zu vermeiden, dass die neuen Mitglieder eine enorme Bandbreite politischer Einstellungen in die Partei einbrachten und sich ihr so vereinzelt auch frühere Mitglieder rechtsextremer oder rechtspopulistischer Parteien anschlossen, was sich im Hinblick auf die Abgrenzung nach rechts als problematisch erwies. Auffällig an der Mitgliedsstruktur der AfD ist ansonsten nur der extrem niedrige Anteil von Frauen (ca. 15 Prozent).
- Der Partei ist es gelungen, die unzufriedenen Wähler der anderen Parteien aufzusaugen. Darauf deuten die weltanschaulich unterschiedliche Herkunft der AfD-Wähler und Umfragen hin: So stimmte mit 64 Prozent ein hoher Anteil der AfD-Wähler der Aussage zu, die Partei aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt zu haben. Offenbar stellte die „Alternative” in ihrem Parteinamen eine diffuse Projektionsfläche für diese verschiedenen Unzufriedenen dar.
- Eine Partei, die sich mit liberal- und nationalkonservativen Inhalten rechts der Unionsparteien positioniert, bleibt trotz aller Abgrenzungsbemühungen für Menschen mit rechten Einstellungsmustern attraktiv. Diese Abgrenzung nach weiter rechts ist ein strukturelles Problem der AfD. Auf dem Bundesparteitag 2016 hat sie beschlossen, den Landesverband Saarland wegen Kontakten zu Rechtsextremen aufzulösen.
- Die Eurokrise wird von der Partei als Ursache einer Beschädigung der Demokratie, des Rechtsstaats, der Gewaltenteilung, der sozialen Marktwirtschaft und der europäischen Idee selbst wahrgenommen. Die AfD ist insofern nicht unbedingt anti-europäisch, als dass sie in ihrem Grundsatzprogramm für ein „Europa der Vaterländer”, vermutlich im Sinne de Gaulles,(S. 17) und eine europäische „Wirtschafts- und Interessengemeinschaft – in ihrem ursprünglichen Sinne” (S. 16) eintritt. Aber alle Versuche, die EU in einen Bundesstaat zu überführen, lehnt die AfD ebenso ab wie „das Experiment Euro”.
- Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung nehmen im Grundsatzprogramm breiten Raum ein und werden fast als eine Art Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit, die angebliche Übermacht der Parteien im Staat und die Auswüchse des Lobbyismus dargestellt.
- Im Grundsatzprogramm von 2016 fordert die AfD nun, das Asylrecht im Grundgesetz durch eine institutionelle Garantie in Form eines Asylgesetzes zu ersetzen. Darüber hinaus wird gefordert, Anerkennungsverfahren nur noch in den Herkunftsregionen der Asylsuchenden durchzuführen; dafür sollen „Außenstellen des BAMF (Bundesamt für, Migration und Flüchtlinge) sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit” (S. 60) in den Ländern eröffnet werden, die bereit wären, den Betrieb solcher Einrichtungen zu ermöglichen.
- Im Grundsatzprogramm : Es werden ein Verbot ausländischer Finanzierung islamischer Moscheen, ein Verbot der Vollverschleierung, die Schließung von Koranschulen sowie generell eine Legitimierung von Kritik am Islam gefordert. Breiten Raum nimmt im Grundsatzprogramm die Familienpolitik ein, die am traditionellen Leitbild der Eltern-Kinder-Familie orientiert ist und den „demographischen Fehlentwicklungen” (S. 41) in Deutschland entgegenwirken soll. Ähnlich wie die scharfe Ablehnung des „Gender Mainstreamings”, das angeblich auf die Aufhebung der Geschlechteridentitäten ziele, war das bereits in den Politischen Leitlinien enthalten. Neu ist jedoch der deutliche Zusammenhang zur Frage der Migration: „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung” (S. 41).
- Diese Tatsache kommt auch darin zum Ausdruck, dass der AfD-Abgeordnete im Europäischen Parlament, Marcus Pretzell, sich der im Sommer 2015 neu gegründeten Fraktion „Europa der Freiheit und der Nationen”, der unter anderem die österreichische FPÖ, die niederländische PVV und der französische Front National angehören, angeschlossen hat.
- Auch hinsichtlich der Taktik, mit gezielten rhetorischen Tabubrüchen, das heißt rassistisch oder islamfeindlich gefärbten Äußerungen, die anschließend wieder mehr oder weniger klar dementiert werden, scheinen sich einige AfD-Politiker wie etwa der brandenburgische Landesvorsitzende Alexander Gauland oder der thüringische Landesvorsitzende Höcke immer öfter an den rechtspopulistischen Vorbildern anderer Länder zu orientieren.
- Zwar beginnt das Wahlprogramm mit dem „gescheiterten Euro“, der zu einer Transferunion führe, die für Deutschland nicht mehr bezahlbar sei und daher aufgekündigt werden müsse, aber schon rein quantitativ liegt der Schwerpunkt des Programms auf der Flüchtlings-, Asyl- und Islampolitik.10
Die AfD und die Presse
„Es mag schon sein, dass jede Bewegung (…) auch ihre eigenen Medien (entwicklt). Schon Jakob Siebenpfeiffer, einer der Initiatoren des „Hambacher Fests“ im Jahre 1832, hatte eine illegale Druckerei betrieben. Piratensender berichteten aus der Anti-Atom-Bewegung. Die Gründung der Tageszeitung (taz) ist ein Resultat politischer Protestbewegungen. (S.3) (…) Aber schon der Parteislogan „Mut zur Wahrheit” suggeriert in populistischer Manier, dass die „Altparteien”, wie die im Bundestag vertretenen Parteien von AfD-Rednern gerne tituliert werden, das Volk belügen“.11
„Die AfD nun bedient sich wie keine Partei zuvor der sozialen Medien.“:
- Am 19. Juni 2017 ist das Protokoll eines WhatsApp-Chats der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Sachsen-Anhalt geleakt und öffentlich gemacht worden. (…) Sichtbar wird so das Psychogramm einer Partei, die sich einerseits als wahre Stimme und Retterin aller Deutschen fühlt und sich andererseits gerne als verfolgtes Opfer des politischen Systems inszeniert – als Opfer der „Altparteien“ebenso wie der Presse, der permanent unterstellt wird, gelenkt oder gekauft zu sein. (S.3)
- Seitdem die AfD bei der Bundestagswahl 2013 mit 4,7 Prozent der Stimmen knapp gescheitert ist, schaffte sie in allen folgenden Landtagswahlen den Sprung in die Landesparlamente – teilweise sogar mit zweistelligen Ergebnissen. (S.3)
- Die AfD aber sieht nicht nur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen prinzipiellen
Gegner, sondern urteilt ganz generell über alle Medien: Entweder berichten sie im Sinne der AfD oder sie lügen. (S.4)
- Das historisch Neue und Einzigartige scheint darin zu liegen, dass bisher keine Partei mit bundesweiter Relevanz und breiter Präsenz in den Landtagen einerseits das Leistungsprofil privater Medien und des öffentlich-rechtlichen. Rundfunksystems so massiv und so grundsätzlich in Frage gestellt hat, wie die AfD dies tut. Andererseits versucht die Partei zugleich, diese Medienangebote für ihre Zwecke und Anliegen auszunutzen und gelegentlich auch zu instrumentalisieren.
Diesem „Double-Bind“-Verhältnis von „AfD und Medien. (S.4)
- Entscheidend ist aus Sicht der Stiftung, dass die medialen Herausforderungen, die mit der AfD verbunden sind, keinesfalls einen spezifischen „AfD-Journalismus“ erforderlich machen. An zahlreichen Beispielen gelingt es unserem Autor Bernd Gäbler eindrucksvoll zu zeigen, wessen es in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit der Partei bedarf: solider Ausbildung, handwerklicher Fertigkeiten, journalistischer Kompetenz und intensiver Beschäftigung mit Personen und Programm. (Hervorhebungen von U.O.)
„Double-Bind“-Verhältnis von „AfD und Medien“:
- „Zumindest als „Mainstream-Medien“ und „Systempresse“ werden redaktionell geführte Medien grundsätzlich attackiert und als „Lückenpresse“ bezeichnet, wenn das historisch vorbelastete Wort „Lügenpresse“ kokett umgangen werden soll. Zugleich vermerken die Parteigranden akribisch, wer wann wie oft vorkommt, in Talkshows eingeladen, porträtiert oder zitiert wird, und dies angeblich meist falsch und entstellt, unautorisiert oder verzerrt. (S.7)
- Die Journalistin (Melanie Amann; U.O.), die für den „Spiegel“ die AfD kontinuierlich beobachtet, sieht Angst und Enttäuschung als deren konstitutive Wurzeln. In einem „negativen Gemeinschaftsgefühl“ (ebd.: 56) hätten sich alle vereint, die aus unterschiedlichen Motiven zu dem Schluss gekommen seien, „dass das politische System an sich nicht mehr funktioniert“ (ebd.) (S.8)
- (…),und (Justus Bender; U.O.) nennt sie „die erste wirkliche Internetpartei der deutschen Geschichte“ (ebd.: 63). So erst sei die Vernetzung zwischen Menschen, die sich leidenschaftlich für den Leitzins der EZB interessierten, mit Hobby politikern, die gegen jedwede Bevormundung opponierten, sowie rechtsradikalen Unterwandererstrategen oder kruden Verschwörungstheoretikern möglich gewesen. (S.8)
- Wer immer wieder die Geister rechtsaußen ruft und selbst dafür streitet, das Wort „völkisch“ möge wieder „positiv besetzt“ werden, scheitert dann nahezu zwangsläufig mit dem – auch noch diffus und halbherzig durchgeführten – Manöver, diese Kräfte einzuhegen. (S.9)
- -Stattdessen traten auf dem Kölner Parteitag alle Sieger über Petry – nicht nur das erfahrene „Schlachtross“ Alexander Gauland und der gar nicht anwesende Björn Höcke, sondern auch die angeblich eher „gemäßigt“ agierenden baden-württembergischen Politiker Jörg Meuthen und Alice Weidel – betont nationalistisch auf. „Je gruseliger Meuthens Überfremdungsszenario wurde, desto lauter jubelte der Saal“, merken die Beobachter der FAZ (Bender / Lohse) (S.9).
- Kaum ins gemeinsame „Spitzenduo“ mit Gauland gewählt, versicherte auch Weidel, die im Bundesvorstand einst noch für ein Ausschlussverfahren gegen den Dresdener Redner Björn Höcke gestimmt hatte, ein gemeinsamer Wahlkampf mit Höcke sei möglich. In der Antragsdebatte wurde nahezu in jedem konkreten Einzelfall – vom erleichterten Zugang zu Waffen für „gesetzestreue Deutsche“ über die automatische Ausweisung von Ausländern auch bei geringfügiger Kriminalität bis zur generellen Ersetzung des Wortes „Integration“ durch „Anpassung“ – die rechtere Variante angenommen. (S.10)
- Dieser Parteitag hat gezeigt, dass es in der AfD keine Radikalisierungsbremse gibt, sondern dass die Befürchtung des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zutrifft, der die AfD „auf dem Weg in den Rechtsextremismus“ verortet (zit. nach o. V., Die Welt, 23.04.2017 (S.10)
- Das Grundmuster, in dem die Gesellschaft wahrgenommen wird, und folglich der zentrale Antagonismus, den die Politik laut AfD bearbeiten muss, ist die Spaltung zwischen einem Volk, das als homogene Gemeinschaft guter, anständiger, patriotischer, hart arbeitender, gesetzestreuer Deutscher aufgefasst wird, und einer korrupten, parasitären, das Volk bewusst verratenden Elite, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Das Volk ist die Zentralinstanz, auf die sich die eigene Partei bezieht. Deren Legitimation und Mission besteht darin, des Volkes wahre oder eigentliche Interessen zu artikulieren, Stimme dieses Volkes zu sein und ihm wieder den angestammten oder verdienten Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Diese Art des kraftvollen „Wir sind das Volk!“ impliziert immer auch ein „Und ihr nicht!“, ist also auf Abgrenzung und Exklusion angelegt. (S.10)
- Zweitens wirkte die von Dresden ausgehende Protestbewegung Pegida als eine Art Katalysator der Konflikte in der AfD. Während Lucke und seine Anhänger in der Partei diese Bewegung für ausländerfeindlich, islamophob und nicht mehr „bürgerlich” hielten und auf Distanz bedacht waren, waren insbesondere die ostdeutschen Landesvorsitzenden der Meinung, die AfD müsse die politische Unzufriedenheit der Pegida-Anhänger ernst nehmen und aufgreifen.12
Schluss
In einer Zeit in der sowohl die globalisierte Wirtschaft als auch die globalisierte Natur große Opfer insofern fordern, als Arbeitsbedingungen zunehmend unmenschlich werden, das Leben keinen Wert mehr hat, und die Natur sowohl mit Dürre- als auch mit Hochwasserkatastrophen auf einen blindwütigen Finanzkapitalismus antworten, kann eine Analyse ausschließlich zu dem Ergebnis führen, dass eine Partei, wie die AfD isoliert werden und besonders in Deutschland eine Regierung ganz klare Stellung beziehen muss, auch, indem sie die politischen Probleme in Angriff nimmt. Zu lange hat eine Lobbiisten-freundliche Politik Zweifel gelassen an der Position der Regierung, die letzlich zu sehr die Nähe der Wirtschaft sucht.
„(Es)(…) werden Flüchtlinge nicht als Einzelpersonen verfolgt, sondern sind kollektive Opfer von Gewalttaten ihrer eigenen Regierung, Drogenbanden oder paramilitärischen Gruppierungen. In Anerkennung dieses kollektiven Flüchtlingszustands, der den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention sprengt, wurde 1984 die Cartagena Erklärung (…) verabschiedet, die ausdrücklich jene Menschen mit einbezieht, die aus ihrem Land flüchteten, „ weil ihr Leben, ihre Sicherheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt, Aggression von außen, innere Konflikte, massive Menschenrechtsverletzungen (…) bedroht ist.” „Die Europäische Union muss dieses vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen anerkannte Rechtsmittel in Betracht ziehen, um die Last zu mindern, die derzeit auf Erstaufnahmeländern, wie Griechenland, Italien und Spanien, aber vor allem auf den Flüchtlingen ruht, die dort festsitzen, bis ihre Anträge aufgearbeitet sind. Während dieser Zeit befinden sich diese Menschen in einem kafkaesken Zustand: sie stehen „vor dem Gesetz“ und sind Gesetzen unterworfen ohne aber vor ihnen gleich zu sein“13
Für einen möglichen Journalismus, der Position bezieht, und der verständlich ist, ohne populistisch zu sein, dagegen die Auswirkungen eines zu Fanatismus und Hass tendierenden Populismus sehr klar bezeichnet und ihm eine Klarheit entgegensetzt, die nicht nur einen offenen Blick in die Zukunft zulässt, sondern auch der Sprache, diesem Medium aus Buchstaben, die Worte formen und Worten, die Texte formen, von denen jeder eine neue Welt erschafft, für einen derartigen Journalismus stehen sicher die Arbeiten von Carolin Emcke, die 2016 für ihr Buch „Gegen den Hass“ mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden ist: „Nun, ich halte es für keinen zivilisatorischen Zugewinn, wenn ungebremst gebrüllt, beleidigt und verletzt werden darf. Ich halte es für keinen Fortschritt, wenn jede innere Schäbigkeit nach außen gekehrt werden darf, weil angeblich neuerdings dieser Exhibitionismus des Ressentiments von öffentlicher oder gar politischer Relevanz sein soll. Wie viele andere will ich mich nicht daran gewöhnen. Ich will die neue Lust am ungehemmten Hassen nicht normalisiert sehen. Weder hier noch in Europa noch anderswo.14
Note
1 Aus: Tagesschau.de / Wahlarchiv;
2 aus: Heinrich August Winkler „Populismus: Stunde der Vereinfacher“ in Die Zeit Nr.6 vom 19.02.2015;
3 Artikel zur Vorstellung der Bertelsmann-Studie „Die Stunde der Populisten“, erschienen auf tagesschau.de am 26. July 2017;
4 Ibidem;
5 „Die Stunde der Populisten? – Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017“ von Robert Vehrkamp und Christopher Wrati , Hrsg: Bertelsmann Stiftung;
6 Heinz Bude „Gesellschaft der Angst“, S.3, Hamburger Edition, 2014;
7 aus: Heinrich August Winkler „Populismus: Stunde der Vereinfacher“ in: Die Zeit Nr.6 vom 19.02.2015;
8 aus der Studie „Die Stunde der Populisten? – Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vorder Bundestagswahl 2017“ von Robert Vehrkamp und Christopher Wrati , Hrsg: Bertelsmann.
9 Ibidem. S.47;
10 aus Homepage Bundeszentrale für politische Bildung zu; Alternative für Deutschland von Prof. Dr.Torsten Oppelland am 5.6. 2017;
11 AfD und Medien: Bernd Gäbler, Arbeitsheft 92 der Otto-Brenner-Stiftung, 26.Juni 2017;
12 Ibidem, Bundeszentrale für politische Bildung;
13 Seyla Benhabib: „ Die Erzählerin als moralisches Zeugnis“; Laudatio auf Carolin Emcke, Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2016, S.37;
14 Carolin Emcke, “Gegen den Hass”, S. 15, Frankfurt a.M. 2016;
Bibliographie
ARISTOTELES, Nikomachische Ethik, Stuttgard, 1983;
BUDE, Heinz, Gesellschaft der Angst, Hamburg, 2014;
EMCKE, Carolin, Gegen den Hass, Frankfurt a.M. 2016;
IDEM, Ansprachen aus Anlass der Verleihung, Frankfurt a.M. 2016;
IDEM, Kollektive Identitäten, Frankfurt a.M. 2010 (2.Auflage) ;
GEERTZ, Clifford, Dichte Beschreibung – Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 1994;
HORKHEIMER, Max, ADORNO, Theodor W., Dialektik der Aufklärung, Frankfurt a.M. 1971;
MEAD, George H., Geist, Identität und Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1995;
SCHÜTZ, Alfred, Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt: Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Frankfurt a.M. 1993 (6.Aufl.).
Online resources:
MUNRO, André, Populism: political program or movement https://en.wikipedia.org/wiki/Populism;
NICOLAI, Frank, Bertelsmann Studie: PopulistischeEinstellungen sind bei deutschen Wählern nicht mehrheitsfähig, www.tagesschau.de;
OPPELLAND, Torsten, Alternative für Deutschland (AfD), Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de;
REISIGL, Martin, Sprache als Strategie des Populismus, Sprache_des_Populismus_und_Nationalismus.pdf ;
Wahlergebnisse, http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/index.shtml
Wahlkampfthemen, Bundestag17.pdf ;
Winkler Heinrich August, Populismus: Stunde der Vereinfacher, www.zeit-online.de
VEHRKAMP, Robert; WRATIL Christopher, Die Stunde der Populisten?Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017, ZD_Studie_Populismus_DE.pdf;.